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† Melissa » Activity »

  • Melissa veröffentlichte einen Beitrag in der Gruppe “Vorlesekatz und Zuhörkatz18. December 2020 08:05

    Das Geheimnis der Katzen
    Immer sind es der Ochs und der Esel, die mit der Heiligen Familie auf Weihnachtskarten abgebildet sind. Sie leisteten dem Jesuskind im Stall von Bethlehem Gesellschaft, so heißt es, bewachten es. Dabei war es eine Katze, eine ganz gewöhnliche Stallkatze, die dem neu geborenen Baby, Gottes Sohn, von allen Tieren der Welt als erste eine Wohltat erwies. Genauer gesagt, sie wärmte dem Jesuskind die Füße.
    Woher ich das weiß? Scampolo, mein eigener Kater hat es mir ins Ohr geflüstert bei einer unserer täglichen Schmusestunden in der Vorweihnachtszeit. Also, nach Scampolos Erzählung trug sich folgendes zu:
    Es war in der Heiligen Nacht. In derselben Nacht, in der Josef, der Zimmermann mit seinem Weib Maria vergeblich an die Herbergen klopfte, um ein warmes Nachtlager zu erbitten. Zur gleichen Zeit lag Simba, die lohfarbene Katze, versteckt zwischen Strohbündeln in ihrem Heimatstall. Sie schlief sich die Müdigkeit aus den Bernsteinaugen um dann, wenn die Sterne vollständig am Himmel stehen, ihre einsamen Streifzüge aufzunehmen. Sinuth und Samuel, die Hirten, zu denen sie gehörte (soweit eine Katze überhaupt irgendjemandem gehört) hüteten die Schafe draußen auf der Weide. Dort würden sie auch die Nacht verbringen, unter freiem Himmel, zusammen mit den Tieren, für die sie Verantwortung trugen. Nur der alte Ochs und der auch schon recht altersschwache Esel waren im Stall zurück geblieben. Stumpfsinnig dösten sie vor sich hin und zogen mit ihren morschen Zähnen ab und zu einen Halm aus den Strohballen, denn das Heu in der Krippe war längst herunter gemalmt.
    Simba reckte und streckte sich. Sie hatte in ihrem tiefen Schlaf von einer Wüstenmaus geträumt. Nun lauerte sie darauf, diesen Traum Wirklichkeit werden zu lassen. Da hörte sie ein Geräusch. Lautlos schlüpfte sie in ihr Strohloch zurück. Es roch nach Menschen, da konnte man nie wissen, was passiert. Mit argwöhnisch gespitzten Ohren verfolgte sie von ihrem Versteck aus, wie zwei Menschen in den Stall hineinstolperten, ein Mann und eine Frau. Simba erkannte den Mann an seinem langen Bart und dem großen Schlapphut. Die Frau trug ein langes nachtblaues Tuch, unter dem sie eine Fülle sonnenfarbenen Haares verbarg. Sie war sehr blass und sehr schön. Ihre Augen blickten sanft. Der Mann dagegen brummte, denn er hatte die Laterne in seiner Hand auslöschen lassen und sah nun fast nichts mehr. Das Zipfelchen Mondlicht, das durch das halbblinde Fenster fiel, war zu kümmerlich, um die Dunkelheit im Stall zu erhellen. Die Frau beruhigte den erregten Mann mit einer Stimme, die süß klang wie eine Glocke. Dabei ging es ihr selbst nicht gut. Sie stöhnte und legte die Arme um ihren schweren Leib, als hielte sie dort einen kostbaren Schatz verborgen.
    Das alles beobachtete Simba von ihrem Versteck aus, und ihre Schnurrbarthaare zitterten vor Erregung. Neugier ist manchmal doch stärker als Hunger, besonders bei Katzen. Dann aber wurde es ihr, Simba, der unerschrockenen Jägerin, doch recht bang zu Mute. Der Mann hatte die Hütte verlassen und auch die inzwischen wieder flackernde Laterne mitgenommen, so dass es ganz dunkel war. Simba hörte nur das Stöhnen der Frau und das beunruhigte sie sehr. Jedoch, als der Mann mit der Laterne und einem Becher Wasser zurück kam, lag die Frau wie schlafend, mit einem seligen Lächeln auf dem Gesicht, im Stroh. In ihren Armen hielt sie etwas Quicklebendiges, Rosafarbenes, das wie ein Fröschlein mit seinen Armen und Beinen zappelte. Dieses Geschöpf herzte und küsste die Frau, wickelte es in ein grobes Tuch und legte es in die Krippe. Nun erst versank sie in einen tiefen Schlaf, glücklich, als hätte sie etwas unendlich Wunderbares vollbracht. Der Mann streichelte scheu ihre Hand. Er hängte die Laterne vorsichtig an einen Balken, bevor er sich neben der Frau ausstreckte und auf der Stelle einschlief.
    Jetzt war der Zeitpunkt für Simba gekommen, sich davon zu schleichen, um die fetten Mäuse zu jagen. Aber komisch, sie verspürte nicht die geringste Lust dazu. Viel stärker zog es sie zu dem kleinen Wesen in der Krippe hin. Mit einem geschmeidigen Sprung landete sie auf dem rauen Rücken des Esels, der vor Müdigkeit kaum die Augen öffnete, um von dort aus leichtfüßig in die Krippe zu klettern.
    In diesem Moment öffnete das kleine Wesen den Mund. Es hatte sich bloßgestrampelt und seine Füßchen waren kalt. Kläglich begann es zu weinen. Das Weinen erinnerte Simba an ihre eigenen Kinder, die man ihr kürzlich weggenommen hatte. Ihr Mutterinstinkt erwachte. Sie kitzelte den kleinen Schreihals mit ihren Schnurrhaaren, leckte ihm die winzigen Zehen warm und rollte sich auf den kleinen Füßen zu einer Kugel zusammen. Dem Geschöpfchen schien es zu behagen. Es hörte sofort mit dem Weinen auf, lachte und gluckste vor Vergnügen. Simba aber meinte, sich noch nie so wohl gefühlt zu haben, im ganzen Leben nicht. Wie ein heißer Schwall durchströmte sie die Wärme des Menschenkindes.

    • † Melissa

      Fortsetzung:
      Behaglich fuhr sie die Krallen aus und schnurrte wie ein Spinnrad.
      Als der Mann erwachte und die Katze auf den Füßen des Kindes sah, wollte er sie verjagen. Doch die Frau legte bittend die Finger auf die Lippen. Sie beugte sich über ihren Sohn, nährte ihn an ihrer Brust und streichelte ihn sanft; dabei streichelte sie auch Simba, die leise schnurrend ihren Kopf in die liebkosende Hand der Frau drückte.
      Simba lag noch bei dem Kind, als die Hirten vom Feld kamen und dem kleinen König huldigten. Sie wärmte ihm weiterhin schnurrend die Füße, während die Leute aus dem Dorf heraufströmten, um das göttliche Wunder zu bestaunen. Viele Geschenke wurden dem Kind gebracht, darunter auch leckere Hühnchen, Brot und Milch. Der Duft stieg Simba in das rosafarbene Näs´chen. Aber obwohl sie noch nichts gefressen hatte in dieser Nacht und Naschen für sie ein Leichtes gewesen wäre, war es, als ob eine geheime Macht sie, die sonst so naschhafte Räuberin davon abhielt, sich an diesen Speisen zu laben. Sie wollte nur in der Nähe des Kindes sein und hätte bis zum Ende ihrer Tage auf diesen himmlischen Platz beharrt, wäre ihr die Unruhe durch die vielen Besucher nicht allmählich zu groß geworden. So aber flüchtete sie in die Nacht hinaus, wo inzwischen die Sterne am Himmel strahlten wie lauter große Sonnen. Es war, als sei das ganze Land in ein gleißendes Licht getaucht.
      Seit diesen Tagen ist die Katze ein erwähltes Tier. Ihre Tragik ist nur: Niemand weiß es außer ihr. Die Maler haben vergessen, sie auf ihren Weihnachtskarten zu verewigen. Und so läuft die Katze mit ihrem Geheimnis allein durch die Welt. Und nimmt es gewaltig übel, wenn man es ihr gegenüber – was immer wieder vorkommt – an der nötigen Ehrerbietung fehlen lässt.
      Aber da meine eigener Kater mir dieses Geheimnis verraten hat, bin ich sicher, dass es mir keine Katze der Welt verübeln wird, wenn ich diese wunderbare Geschichte zu Weihnachten meinen Freunden weitererzähle. (von Vera Oelmann)

      vor 3 Jahren, 4 Monaten
    • Cleo & ihre Gang

      So eine tolle Geschichte! Danke!

      vor 3 Jahren, 4 Monaten
    • † Teddy

      ein bisschen traurig, aber wirklich schön

      vor 3 Jahren, 4 Monaten
    • † Gucci

      So eine schöne Geschichte......da muss die Mama wohl mal eine kleine Katze mit in die Krippe setzen :)

      vor 3 Jahren, 4 Monaten
    • "Speedy" Lolli

      Bei uns sitzen Katzen überall im Haus herum. Jetzt auch inmitten der Weihnachtsdekoration. Und da viele von ihnen Geschenke für meine Mama waren, erzählen sie alle eine Geschichte!

      vor 3 Jahren, 4 Monaten